Klaus Praschak: Tiere urteilen nicht, sie vergleichen nicht, sie spiegeln uns auf eine Weise, die frei ist von Kalkül ~ Kongseb


Es schon seltsam, dass viele Menschen jene Reinheit, Treue und bedingungslose Liebe, die sie in der menschlichen Welt oft vermissen in den Tieren wiederfinden.

Tiere urteilen nicht, sie vergleichen nicht, sie spiegeln uns auf eine Weise, die frei ist von Kalkül. Sie sind reine Gegenwart, reine Seele im Ausdruck der Natur.
 
Ja, für viele Menschen sind die Tiere die besseren Freunde als die Menschen selbst. Vielleicht, weil sie uns nichts vorspielen und sie keine Masken tragen, sie sind einfach da, ehrlich, unmittelbar und lebendig. Ein Tier schaut uns nicht an, um zu bewerten, sondern um zu sehen. Es hört nicht, um zu antworten, sondern um zu spüren. In ihrer Nähe erinnern wir uns daran, was wahre Verbundenheit bedeutet, denn sie ist kein Wort, kein Urteil und kein Zweck, sondern liebevolle Gegenwart. Tiere leben im Rhythmus der Schöpfung und sie folgen ihrem inneren Wissen, verbunden mit der Erde, mit den Elementen, mit dem Leben selbst. Vielleicht sind sie deshalb für so viele Menschen ein Zufluchtsort geworden, weil ihre Seele noch weiß, was wir vergessen haben, nämlich das Liebe kein Tun ist, sondern ein Sein.

Oft höre ich Menschen sagen: „Ich vertraue meinem Hund oder meiner Katze mehr als den Menschen, denn Tiere sind ehrlicher.“ Und ich verstehe sie, denn auch ich liebe Tiere, ihre Klarheit, ihre reine Gegenwart, ihre Treue, die nichts fordert. Doch jedes Mal, wenn ich diese Worte höre, wird mir bewusst, wie weit wir Menschen uns voneinander entfernt haben. Wie sehr wir das Vertrauen zueinander verloren haben, die Offenheit, das einfache, mitfühlende Sein. Tiere erinnern uns an Unschuld, Wahrhaftigkeit und Herzverbundenheit, das wir im Lärm der Welt vergessen haben. Sie leben, was wir längst verlernt haben, Liebe ohne Bedingung, Nähe ohne Angst. Und so erfüllt mich neben der Liebe zu ihnen auch eine stille Traurigkeit. Nicht über die Menschen selbst, sondern über das, was wir verloren haben, nämlich die Fähigkeit, uns wirklich zu begegnen. Vielleicht aber sind gerade die Tiere Boten einer neuen Erinnerung. Sie lehren uns, wieder zu fühlen, wieder zu vertrauen und wieder menschlich zu werden, im göttlichen Sinn.

Doch ich sehe auch eine leise Gefahr. In der Enttäuschung über das Menschsein und im Schmerz über die Kälte der Welt beginnen viele, die Tiere über den Menschen zu stellen. „Tiere sind die besseren Menschen“, hört man oft sagen und ich verstehe, woher dieser Satz kommt, denn Tiere sind wahrhaftig, rein und voller Hingabe. Aber wenn wir diesen Satz glauben, dann trennen wir uns erneut und zwar diesmal von uns selbst. Denn auch der Mensch trägt göttliches Leben in sich, auch wenn es verdeckt ist von Angst, Ego und Unbewusstheit. Wenn wir die Tiere über uns stellen, vergessen wir, dass sie uns nicht ersetzen wollen, sondern uns erinnern, an Mitgefühl, an Wahrhaftigkeit, an das göttliche Herz in uns. Die wahre Aufgabe dieser Zeit ist nicht, den Menschen zu verurteilen, sondern ihn zu heilen. Wieder Vertrauen zu finden, einander zuzuhören, einander zu sehen, jenseits der Masken und Wunden. Erst wenn wir lernen, die göttliche Gegenwart in allen Lebensformen zu erkennen, im Tier, im Baum, im Menschen, dann wird sich die Trennung auflösen und die Liebe wieder frei fließen. Tiere sind nicht hier, um unsere seelischen Lücken zu füllen oder menschliche Nähe zu ersetzen, sondern sie begleiten uns, lehren uns, erinnern uns. Sie sind Mitgeschöpfe auf dem Weg, keine Stellvertreter für das, was im Menschlichen heil werden will. Auch unsere Haustiere haben ihren göttlichen Auftrag. Sie sind nicht zufällig an unserer Seite, sondern Teil unseres Weges, so sind sie Begleiter, Lehrer und Spiegel. Sie helfen uns, wieder zu fühlen, uns selbst in ihrer Liebe zu erkennen, unsere Herzen zu öffnen für das Leben in seiner reinen Form. Doch sie sind kein Ersatz für menschliche Nähe, keine Ausweichstation für unerfüllte Beziehungen. Ihr Auftrag ist es, uns zu erinnern und nicht uns zu ersetzen. Wenn wir beginnen, sie als göttliche Boten zu sehen, dann erkennen wir auch, dass jede Begegnung mit einem Tier eine stille Botschaft des Himmels in sich trägt: Liebe ist überall, doch sie will durch uns Menschen hindurch in die Welt strahlen. Denn die Tiere dienen der Schöpfung, indem sie uns an das erinnern, was wir in uns selbst wiederfinden sollen, nämlich das Herz des Mitgefühls, die Reinheit des Blicks und die stille Freude am Dasein.

Klaus Praschak

Bild: printerest.de danke

Quelle: Klaus Praschak

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