Das Bewusstsein selbst ist ein Spiegelkabinett. Die Schlüsseleigenschaft der menschlichen Seele ist die Fähigkeit, über ihre eigene Existenz zu reflektieren. Selbstreflexion, Introspektion, Selbsterforschung - wie auch immer wir es nennen - führt uns durch viele Schichten der Zwiebel unseres inneren Wesens, von unseren banalsten, rekursiven Gedanken bis hin zu erhabenen Zuständen reinen Bewusstseins und bedingungsloser Liebe, des Einsseins oder Gottesbewusstseins.
Diese innere Reflexion kann auch als ein Prozess des Bezeugens gesehen werden, d.h. als ein einfaches Beobachten unserer eigenen Handlungen, Gedanken und Gefühle mit einer Haltung der Toleranz und Liebe. Zeugenschaft hilft uns, uns von den äußeren Phänomenen und Sinneserfahrungen sowie von unseren mentalen Erzählungen, unseren persönlichen Geschichten, die unsere Aufmerksamkeit so sehr in Anspruch nehmen, zu lösen. Zeugenschaft verändert auf subtile Weise, wie wir uns selbst identifizieren.
Wir sind nicht mehr der Protagonist unserer persönlichen Erzählung, der vom Tumult unserer Gedanken und Erfahrungen gefangen genommen wird, sondern wir sehen diese Gedanken und Erfahrungen als Phänomene, die sich im ruhigen Spiegel unseres inneren Wesens widerspiegeln. Wir sind nicht mehr der Star unserer eigenen Show, sondern werden zu einem liebevollen Beobachter des Stücks. Parallel zu dieser Verschiebung des Schauplatzes unserer inneren Identität findet ein Prozess der äußeren Reflexion statt, da wir unser inneres Wesen reflektiert und auf jede Erfahrung der äußeren Welt projiziert sehen. Mit geduldiger spiritueller Praxis können wir unsere äußere Erfahrung immer besser mit unserem inneren Wesen in Einklang bringen.
In dem Maße, in dem die Schleier der Illusion transparenter werden, in dem Maße, in dem wir die Beschränkung erkennen, uns nur mit Gedanken und Erfahrungen, mit der so genannten objektiven Realität zu identifizieren, beginnen wir, einen reineren Zustand des Seins zu reflektieren. Wenn wir den Staub der Unreinheiten und Anhaftungen vom Spiegel unseres Herzens entfernen, kann das Licht des Geistes reflektiert werden. Wenn die Schichten transparenter werden, scheint das Licht durch uns hindurch, und wir beginnen, in einem weniger inhaltsbeladenen, immer klareren Zustand des Bewusstseins zu verweilen.
Das Gewahrsein im Herzen erblüht zu Liebe, Mitgefühl und Weisheit. Das Polieren des Spiegels, dieser Prozess des Reflektierens über uns selbst durch Beobachten und durch das In-Einklang-Bringen unseres äußeren Lebens mit unserem wahren Wesen, löst sich auf, wenn wir uns vollständig mit unserer Seele identifizieren und diese Schichten des Seins in unserem spirituellen Herzen verschmelzen. Vielleicht gibt es dann eine weitere Stufe, wenn wir aufhören, uns als getrennte Wesen zu erleben, wenn die paradoxe Beziehung von Subjekt und Objekt in Einheit aufgeht.
Dieser letzte Schritt erfordert etwas, das wir nur "Gnade" nennen können.
Ram Dass
Kunst Bildsprache Alex Grey ~
Quelle: Jessica Woods
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